Free Bleeding – meine Erfahrungen und weshalb der Begriff irreführend sein kann

Free Bleeding – meine Erfahrungen und weshalb der Begriff irreführend sein kann

28. März 2021 0 Von Katharina Weitkamp

Seit kurzem kursiert in Frauenzeitschriften ein neues Thema: “free flow” oder “free bleeding”. Hierbei handelt es sich nicht darum, das Blut einfach fließen zu lassen als Statement gegen das Tabu der Menstruation, wie man im ersten Moment denken könnte!

Was ist „free bleeding“?

Was sich hinter dem Begriff verbirgt ist schnell erklärt: Menstruationsblut läuft natürlicherweise nicht gleichmäßig aus einem raus, sondern sammelt sich und wird in kleinen Schüben ausgestoßen. Mit ein bisschen Übung und Bewusstsein für deinen Unterleib kannst du wissen, wann es Zeit ist zur Toilette zu gehen für die nächste „Welle“ von Blut. So wie du lernst, deine Blase zu kontrollieren, scheint es möglich, auch deinen Blutfluss zu kontrollieren ohne Tampons oder Binden zu benötigen (vielleicht mit Menstruationsunterwäsche zur Sicherheit), wenn du nur passend und oft genug zur Toilette gehst.

Meine ersten Erfahrungen

Vor einigen Jahren, als ich aufgehört habe Tampons zu benutzen, habe ich genau das an mir beobachtet: der Blutfluss war kein konstantes Rinnsal, wie ich das sonst gedacht hatte. Zu dem Zeitpunkt hatte ich noch keinen Begriff dafür, aber mir gefiel die Beobachtung, dass mein Blut eigentlich nur dann geflossen ist, wenn ich gerade auf der Toilette war. Die restliche Zeit blieb es meist einfach in mir drin bis zum nächsten Toilettengang. Ähnlich zur Blasenkontrolle, scheint es eine Art Mechanismus zu geben, der das Blut in meinem Körper behält. Wo genau, da bin ich nicht sicher, ist es noch die Zervix oder die Vagina?

Als ich mit einigen Freundinnen darüber sprach, schauten sie mich nur mit einem sehr überraschten Ausdruck in den Augen an, sie hatten so etwas noch nie an sich beobachtet – was vielleicht daran liegt, dass sie meist Tampons verwenden.

Vor einer Weile habe ich einen Artikel über „free bleeding“ im Missy Magazine gelesen (https://missy-magazine.de/). Das war nicht nur eine willkommene Bestätigung für meine eigenen Beobachtungen sondern auch Motivation, weiter zu „trainieren“. Es gibt also so etwas wie Menstruationskontrolle. Und ich bin nicht allein. Warum hat mir das niemand früher gesagt?!

Was sagt die Forschung?

Jetzt frage ich mich, ob „Free Flow“ auch zu einem von vielen Aspekten uralten weiblichen Wissens zählt, der über die Jahrtausende patriarchaler Dominanz verloren gegangen ist? Gab es einmal eine Zeit, in der die Menstruationskontrolle genauso natürlich war, wie die Blasenkontrolle?

Ich habe meine jeweiligen Frauenärztinnen befragt und nach wissenschaftlichen Beschreibungen dieses Phänomens gesucht, vergeblich. Und wisst ihr, wie viele Quellen ich zu dem Thema gefunden habe? Keine einzige! 0 Treffer! In keiner wissenschaftlichen Fachzeitschrift wurde bisher darüber berichtet! Und sogar in dem Buch „Viva la Vagina“ von zwei jungen norwegischen Medizinerinnen, Nina Brochmann und Ellen Støkken Dahl, wurde es nicht erwähnt (eigentlich ein tolles Buch).

Also, bitte, verbreitet das Wissen! Frauen sollten über ihre Menstruation und Wege damit umzugehen informiert sein. Aber wenn selbst Frauenärztinnen nicht darüber aufklären können, müssen wir es selbst in die Hand nehmen!

Der Begriff „free bleeding“ kann dabei irreführend sein. Weshalb? Ich würde einen Begriff wie „kontrollierter Fluss“ oder „natürlicher Fluss“ bevorzugen; einen Begriff, der dieses Zusammenspiel abbildet, dass mein Körper mir Signale sendet, wann eine „Welle“ ansteht und dass ich wiederum meinem Körper signalisieren kann, ok, jetzt darf es fließen, wenn ich auf Toilette bin.

Wie geht es genau?

Für gewöhnlich komme ich damit zurecht, wenn ich ungefähr einmal die Stunde auf die Toilette gehe und ein paar Mal in der Nacht um das angesammelte Blut loszuwerden. Dieses System funktioniert nicht 100%. Manchmal vergesse ich, dass ich meine Tage habe und dann, bei einer schnellen Bewegung, wo ich meine Bauchmuskeln plötzlich und stark anspanne, werde ich direkt erinnert, dass ich am bluten bin und muss direkt zur Toilette eilen. Ups. Das ist also nicht optimal und umsetzbar für jederfrau, wenn keine Toilette in der Nähe ist oder man gar keine Slipeinlagen oder Binden verwendet. Bei starker körperlicher Arbeit wäre es für mich auch nicht möglich, so bislang meine Erfahrung.

Eine weitere Beobachtung, die auch im Missy Magazine so beschrieben wurde, ist, dass ich manchmal das Gefühl habe: „Oh, jetzt ist es zu spät, da rinnt schon was aus mir raus“. Aber wenn ich dann direkt zur Toilette gehe, ist meist noch gar nichts passiert. Es scheint ein inneres Warnsignal zu sein, dass die „Welle“ nun kurz bevorsteht. Mir ist noch nicht ganz klar, wo in meinem Körper dieses Gefühl entsteht. Wenn andere Frauen hier ähnliche Erfahrungen oder auch Erklärungen parat haben, würde mich das sehr interessieren!

Vielleicht sagst du jetzt, dass dieses „Freie Bluten“ nicht nach einer besonders praktischen Art klingt, mit der Menstruation umzugehen. Dem kann ich nur zustimmen und für manche Frau, die ihre Bauchmuskeln im Alltag viel einsetzen muss, weiß ich nicht, ob es umsetzbar ist. Aber für mich, meist am Schreibtisch sitzend, ist es meist praktikabel. Und zusätzlich gefällt es mir, in Kontakt mit meinem Körper und dem Blutfluss zu sein. Also, versuche ich es, wann immer es möglich ist, meine Tage so zu gestalten.

Dann gibt es noch einen weiteren Vorzug, der im Missy Magazine beschrieben wurde: Freies Bluten kann Unterleibskrämpfe reduzieren! Viele Frauen leiden unter Unterleibskrämpfen, das kann mit einem gestörten Blutfluss zusammenhängen. Die Gebärmutter versucht vielleicht in regelmäßigen Wellen sich vom Blut zu entledigen, aber aus welchem Grund auch immer (Tampon?) wird der Vorgang gestört – was zu Krämpfen führt. In diesem Fall könnte es hilfreich sein, in Kontakt mit deinem natürlichen Fluss zu kommen um potentiell Krämpfe zu reduzieren.

Falls du Erfahrungen mit dem freien Fluss hast, würde ich mich freuen, wenn du es mit uns teilst. So können wir eine Wissensbasis für dieses vernachlässigte Phänomen schaffen.

Mehr Informationen gibt es auch hier: https://www.maedchen.de/life/freie-menstruation